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ich bin Gesamtdeutscher seit 15 Jahren und das ist besser als wenn's nicht so gekommen wäre. Damals war man sich als 12-Jähriger der Tragweite des Ganzen gar nicht so bewusst. Wir sind abends durch die Stadt gelaufen und haben Böller losgelassen. Vorgezogenes Silvester, sozusagen. Das Jahr davor war wesentlich spannender. Erst Proteste wegen Wahlmanipulationen, dann Ungarn, Prag, ein Mitschüler kam vom einen auf den anderen Tag nicht mehr in die Klasse, weil er mit seiner Familie auf einen der Züge gen Westen gesprungen war und ein Lehrer meinte noch "Wer jetzt noch geht, ist feige". Dann natürlich die Demos, Belagerung einer Stasizentrale im Nachbarort - man, war das aufregend. Die Öffnung der Grenze hab ich als Textlaufzeile im RTL-Vorabendprogramm (es lief die "Sieben Millionen Dollar Frau") mitbekommen, ein paar Tage später gings zu fünft im Trabbi nach Hof. Vom Begrüßungsgeld und den paar Mark, die ich von Besuchen der Westverwandtschaft noch hatte, hab ich mir dort einen Kassettenrekorder (stereo, doo!), eine Bravo und 'ne Micky Maus gekauft. Mit den Protesten auf der Straße und dem nachfolgenden Zusammenbruch des Staatsapparates wurde man auch als Schüler mutiger und "schändete" z.B. seinen Pionierausweis, was man sich vorher ob der ernsten Konsequenzen niemals getraut hätte.
Gut kann ich mich auch noch an die ersten Obst-, kurz darauf gefolgt von den Getränkehändlern erinnern, die aus umfunktionierten Garagen oder Hauseingängen heraus verkauften. Das allein war schon ungewohnt, hatte ich doch mein Leben lang in denselben Konsum-, und HO-Märkten gekauft. Dann natürlich das Angebot und ,wow, ständig wechselnde Preise. In der Schule wurde viel diskutiert, weniger in den Pausen sondern ganz offiziell mit den Lehrern im Unterricht. Die in den Musikstunden gesungenen Lieder änderten sich langsam, uswusf.
Über diese, für mich wie für alle spannende Nachwendezeit in meinem Heimatort Zschopau gibt es glücklicherweise eine sehr gute Dokumentation (Kauflink), welche ich hier gern anpreise, da sie die damalige Stimmung und Befindlichkeit der Bevölkerung einer sächsischen Kleinstadt irgendwo zwischen Euphorie und Verunsicherung hervorragend rüberbringt und einen guten Kontrast zu vielen anderen Dokus, welche sich vornehmlich mit den Ereignissen in Berlin oder Leipzig befassen, darstellt.
...und starrten mit futuristisch anmutenden Schutzbrillen gen Himmel. So 1999. Heute war's nicht ganz so spektakulär aber zumindest einen kurzen Fensterblick wert.
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