...für gesamtdeutsche Olympiamedaillen waren DDR-Sportler in den Neunzigern gern gesehen. Das Prestige des deutschen Sports war wichtiger als Vergangenheitsbewältigung. Jetzt, da sie ihre Schuldigkeit getan haben, ist das anders. So zumindest mein flüchtiger erster Eindruck. Auch wenn es nach wie vor richtig ist, Menschen, die aktiv am Unrecht in der DDR mitgewirkt haben, nachträglich aus Führungs- und Vorbildfunktionen zu entfernen, sollte man sehr differenziert mit dem Thema umgehen und nicht alles und jeden, der um der sportlichen Karriere Willen im jugendlichen Alter eine Unterschrift an falscher Stelle geleistet hat, in einen Topf mit Erich Mielke werfen. Insbesondere muss der Öffentlichkeit in jedem Einzelfall vermittelt werden, was derjenige, der medienwirksam an den Pranger gestellt wird, genau getan hat. Nur so sind die Demissionen nachvollziehbar.
       Von woody_b am 26.01.06 um 22:54h|  ... comment  ...

Dieser Artikel in der Berliner Zeitung vom 2. Februar wirft ein etwas anderes Licht auf die Sache:

IM Trainer
Im DDR-Leistungssport lauerte der Feind überall. In der eigenen Eishalle. Im eigenen Bett. Auch im Sportklub von Ingo Steuer und Katarina Witt

"Um die Dinge besser verstehen und ein bisschen einordnen zu können, hilft es mitunter, in Büchern zu blättern. Denn es ist ja unzweifelhaft so, dass zu jeder Gegenwart eine Vergangenheit und gewiss auch eine Zukunft gehört, selbst wenn es im Trubel moderner Zeiten zunehmend schwerer fällt, die Übersicht zu behalten. Es kann also hilfreich sein, gelegentlich dieses altmodische Medium Buch zu nutzen; sogar dann, wenn dieses Buch nicht von einer ausgewiesenen Literatin verfasst worden ist. (...) Was die neuerliche Lektüre der Wittschen Einlassungen so interessant macht, sind vielmehr die zahlreichen Hinweise, die Katarina Witt schon damals zu den auf sie angesetzten Inoffiziellen Mitarbeitern gegeben hat.

'Was hat es mir gebracht, meine Stasi-Akten zu lesen, 27 Ordner mit 3 103 Seiten', fragte die Autorin vor mehr als zwölf Jahren. Eine Antwort darauf gab sie selbst. 'Manches hätte ich besser nie erfahren. Ich war kein Spitzel, aber auch keine Widerstandskämpferin. Kein Opfer, allenfalls Objekt.' Witt fragte, warum sich nach der Wende kein IM bei ihr gemeldet habe. Diese Frage ging auch an Steuer."

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interessanter artikel. ein anderes licht vermag ich aber im hinblick auf meinen beitrag nicht zu erkennen. im gegenteil:

"Warum haben weder bundesdeutsche Sportverbände noch Teile der Medien, die eine Kontrollfunktion wahrnehmen könnten, wenn sie denn wollten, in den vergangenen zwölf Jahren die Fragen nach IMs im Umfeld Witts beantwortet?"

genau das ist einer meiner kritikpunkte. der zweite ist die art und weise des ausschlusses: - stasi! fährt nicht mit. - genau so sah die informationspolitik des nok aus. wenn steuer sich nicht gewehrt hätte, wüsste man wohl heute noch nicht, was hinter der sache steckt.

natürlich ist die informationslage heute anders als noch vor zwei wochen und man weiß, dass da schon ein bisschen mehr war, als ein bloßes unterschrift leisten. ob das ausreicht, um 15-20 jahre später einen olympiaausschluss zu rechtfertigen, mag ich nicht beurteilen. um den kreis zu schließen: das denkt kati witt heute über den fall steuer, soweit man dem, was die netz- da aus der bildzeitung zitiert, glauben schenken darf.

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Das bezog sich darauf:

"Ingo Steuer war ebenfalls kein Opfer. Er ist heute noch kein Opfer, auch wenn er sich gern so darstellt, weil ihm das Nationale Olympische Komitee (NOK), das erstmals seit 1992 seiner Verantwortung und Verpflichtung gerecht wurde und eine Olympiamannschaft konsequent auf Stasiverstrickungen überprüfte, zunächst die Akkreditierung für die Winterspiele in Turin entzog. (...) Opfer dieser Affäre, dieses neuerlichen deutsch-deutschen Dramas, sind allein die von ihm betreuten Sportler. (...) Sie sind allein die Opfer ihres Trainers Ingo Steuer, des ehemaligen IM Torsten, der - obwohl es Sportlern vergleichbar leicht gemacht wurde - in den Neunzigerjahren nicht den Mut und die Verantwortung aufbrachte, sich rechtzeitig zu offenbaren."

Warum nicht? Und warum dann auch noch den Arbeitgeber Bundeswehr belügen? Das sieht mir sehr nach dem vertrauten Muster aus, nach dem ehemalige IMs sehr gerne agieren: Leugnen, bis es nicht mehr anders geht, dann einen auf Opfer der Medien, der Birthler-Behörde oder wie hier des NOK machen.

Die Mehrheit der vom MfS angesprochenen DDR-Bürger hat die Stasi-Werber abblitzen lassen. Darunter waren auch eine ganze Reihe junger Leute, im selben Alter wie Steuer und Bosdorf. Die haben nicht unterschrieben, geschweige denn, irgendetwas zugetragen.

Witts Argument Und die Olympischen Spiele werden doch so für Deutschland auch nicht besser, finde ich auch etwas merkwürdig.
Klang Ihr ursprüngliches Posting etwas nach dem armen Mohren, der jetzt gehen kann, klingt mir Witts Argument nach: der Mohr ist noch sehr nützlich und muss bleiben.

Zweifellos haben sich die Sportverbände eklatanter Versäumnisse schuldig gemacht. Zweifellos war auch die Informationspolitik des NOK bescheuert und selbstherrlich. Die haben geglaubt, sie hätten es nicht nötig, diese Entscheidung gerichtsfest zu machen.
Dass von den Medien - gemeint sind hier wohl vor allem die Sportjournalisten - nichts kam, verwundert auch nicht. Von einem wie Hagen Bosdorf ist keine Aufklärung zu erwarten. Und von all den Waldis, Poschis, Töpperwiens und wie die Hofberichterstatter alle heißen auch nicht, die sind doch viel zu sehr damit beschäftigt, einen auf Kumpel zu machen. Dass sich der deutsche Sportjournalismus in der Krise befindet, zeigt sich inzwischen schon ganz öffentlich.

Im Rheinischen Merkur fand sich dazu vergangene Woche ein schöner Satz:

"Vielleicht liegt das daran, dass zu einer kommerzielleren Ausrichtung der Sportberichterstattung auch jener Typus des stromlinienförmigen Journalisten gehört, der auch die eigenen pekuniären Interessen im Blick behält. Gerade weil inzwischen Nähe und Kuschelei eher gefragt sind als kritisches Nachfragen und eigene Recherchen, sieht öffentlich-rechtliche Sportberichterstattung genauso aus, wie sie ist."

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zu steuer: was sie da ansprechen kann ich alles so unterschreiben. spitzeleien, egal ob im privaten oder beruflichen umfeld und unabhängig von der qualität bzw. "verwertbarkeit" der weitergegebenen informationen sind das allerletzte. nur kann man zum thema schuld/unschuld nur dann stellung beziehen, wenn man die hintergründe kennt. diese waren aber vor 2 wochen noch völlig unklar, weshalb ich das ausgeklammert habe. da es durchaus fälle gibt, in denen es bei der um der sportlichen karriere willen (die sonst, von ausnahmetalenten abgesehen, vielleicht unmöglich gewesen wäre) abgegebenen verpflichtungserklärung geblieben ist , regt es mich aber auf, wenn es einerseits völlig undifferenziert heißt "stasi= untragbar" und andererseits leute wie z.b. sepp herberger auch heute noch kritiklos glorifiziert werden.

warum die stasiüberprüfung steuers von seiten der funktionäre erst jetzt und nicht schon vor 10 jahren erfolgte, steht nach wie vor im raum.

sportjournalismus: tausend dank für die links. sportnetzwerk.org wäre mir aufgrund momentan minimaler internetpräsenz verborgen geblieben. m.E. gibt es den sportjournalismus als ganzes eh nicht..

da wäre auf der einen seite die reine sportberichterstattung: ich gucke oft und gerne sport im tv - und das in erster linie zur unterhaltung. der unterhaltungswert ergibt sich dabei aus der qualität der gebotenen sportlichen leistung. die kommentierung des ganzen ist nur schmückendes beiwerk. kumpeltypen wie rolf töpperwien vom zdf oder dirk thiele von eurosport, die mit den sportlern auf du und du sind, liefern aufgrund ihres dadurch bedingt größeren hintergrundwissens einfach eine bessere show als ein kommentator, der ausschließlich das sportliche geschehen wiedergibt. das mag mit kritischem journalismus soviel zu tun haben wie eine scholl-latour reportage mit dem wetterbericht, aber in dem moment will ich auch nichts anderes.

davon zu unterscheiden sind gut recherchierte hintergrundreportagen in sachen sport - auch und gerade in bezug auf verflechtungen mit politik, wirtschaft und gesellschaft. diese sind sicher genauso wichtig wie der unterhaltungssektor, aber hier ist vor allem im tv-bereich tatsächlich ein bedenklicher rückgang festzustellen. nur unterhaltung scheint momentan richtig quote und geld zu machen - leider. da auch die öffentlich-rechtlichen sich entgegen ihrer eigentlichen aufgabe zunehmend an diesem kriterium orientieren, ist für die zukunft nix gutes zu erwarten. zum glück gibts internetz.

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warum die stasiüberprüfung steuers von seiten der funktionäre erst jetzt und nicht schon vor 10 jahren erfolgte, steht nach wie vor im raum.

Das tut es, und ich hoffe, dass das nun - auch für diese Weltmeister der Vergangenheitsverdrängung - der Anlass ist, diesen beiden Fragen gründlich nachzugehen und sie offen und öffentlich zu diskutieren. Statt weiterhin so eine Haltung an den Tag zu legen:

Das verlogene Selbstbewusstsein, nicht aus ganzem Herzen von vornherein Nazis gewesen zu sein, machte doch die fatale Gewissheit aus, man müsse sich nach 1945 gar nicht selbstkritisch mit der nationalsozialistischen Vergangenheit beschäftigen.

Aber genau deshalb wundert es mich auch nicht sehr, dass die Funktionäre auch diesmal nichts wissen wollten.

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